Kabinett-Sondersitzung: Landesregierung legt weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie fest

Auf Vorschlag der Gesundheitsministerin, Heike Werner, hat sich die Landesregierung am 10. Dezember 2020 zu einer kurzfristig anberaumten Kabinettsitzung getroffen, um weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu verabreden. Den Beschluss der Landesregierung – der bereits den Landkreisen, kreisfreien Städten, den kommunalen Spitzenverbänden und den Landtagsfraktionen übersendet wurde – finden Sie nachfolgend:

Trotz der bislang für Thüringen ergriffenen und in der Landesregierung sowie gemeinsam mit den Kommunen verabredeten und dort bereits umgesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie steigen die Infektionszahlen weiter an. Die Landesregierung hatte, wie die anderen Länder auch, die Erwartung, dass die seit dem 28. Oktober 2020 bundesweit geltenden Maßnahmen, darunter die Schließung von Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie des Tourismus, dazu führen, das Infektionsgeschehen wieder spürbar zu senken. Erreicht werden sollten damit zum Jahresende und zu den für viele Menschen in unserem Land wichtigen Weihnachtsfeiertagen gelockerte Kontaktbeschränkungen. Diese Erwartung, an die viele Menschen auch ihre Hoffnungen auf die Festtage und den Jahreswechsel setzten, ist nicht eingetreten.
Festzustellen ist vielmehr, dass in den vergangenen Tagen ein landkreisübergreifendes diffuses und stark ansteigendes Infektionsgeschehen zu konstatieren ist. Diese neue Entwicklung erfordert ein neues Herangehen. Die bisherige Hotspot-Strategie bleibt weiterhin dort richtig, wo das Infektionsgeschehen einzelnen Hotspots zugeordnet werden kann.

Für den gesamten Freistaat, der vermutlich am heutigen 11. Dezember 2020 die Marke von 200 Infektionen auf 100.000 Einwohner:innen überschreiten wird, sind deshalb auch kurzfristig weitere Maßnahmen erforderlich.
Deshalb hat die Landesregierung nach vorherigem informellem Austausch mit der Präsidentin des Landkreistages und dem Präsidenten des Gemeinde- und Städtebundes weitere Maßnahmen beschlossen.

Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und des Handelns steht die Aufrechterhaltung der Versorgung im Gesundheitswesen, insbesondere in den Krankenhäusern.

1. Die Reha-Einrichtungen im Freistaat werden aufgefordert, bei Bedarf kurzfristig zur Entlastung der Krankenhäuser Bettenkapazitäten zur Verfügung zu stellen. Die Koordination übernimmt das Gesundheitsministerium.
2. Die Krankenhäuser werden aufgefordert, alle verschiebbaren elektiven Maßnahmen zurückzustellen, sofern dies für die Versorgung von CoVID19-Patient:innen nötig ist.
3. Die Landesregierung fordert den Bundesgesundheitsminister auf, spätestens zur Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2020 verbindlich zu erklären, dass der Bund die durch die Pandemie und Bettenverschiebungen wie Bettenfreihaltungen entstehenden Aufwendungen bzw. Mindereinnahmen der Krankenhäuser finanziert (u.a. Freihaltepauschale). Ein weiteres Verzögern des Bundes zu Lasten der lokalen Krankenhäuser  ist inakzeptabel.
4. Für Altenheime und Seniorenresidenzen, Pflege- und Behinderteneinrichtungen gilt:
– Jede Bewohnerin bzw. jeder Bewohner darf höchstens eine fest zu registrierende Besuchsperson pro Tag empfangen.
– Das Betreten der Einrichtungen durch Besucher:innen ist nur mit einer FFP2- Maske erlaubt.
 – Alle Beschäftigten der Einrichtungen haben sich in regelmäßigen Abständen einem Coronatest zu unterziehen.
5. Die Landesregierung sieht die Notwendigkeit, umgehend zur verpflichtenden Testung von Pflegepersonal, Patient:innen und Bewohner:innen sowie deren Besuchspersonen zu kommen. Der Bund muss die Länder dabei unterstützen.
6. Der Freistaat finanziert aus dem Corona-Sondervermögen für Altenheime und Senio- renresidenzen, Pflege- und Behinderteneinrichtungen die Bereitstellung von FFP2- Masken und Testkapazitäten.
7. Die Landesregierung verstärkt in Zusammenarbeit mit der LIGA der freien Wohlfahrtsverbände, dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. sowie weiteren Institutionen die Aktivierung der „Stillen Reserve“ zur Unterstützung des Gesundheits- und Pflegesystems.

Gesundheitsämter / Kontaktnachverfolgung

Die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter ist auch und gerade in dieser Phase des Infektionsgeschehens unverzichtbar. Der schnellen, sicheren und datenschutzkonformen digitalen Übermittlung von Kontaktdaten zu den Gesundheitsämtern kommt hohe Priorität zu.

1. In Umsetzung des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) wird schnellstmöglich die flächendeckende Implementierung der von der Gesundheitsmi- nisterkonferenz (GMK) empfohlenen digitalen Instrumente (u.a. SORMAS und DEMIS) weiter vorangetrieben. Für die Kontaktdatenerfassung bei Betreibern wie Handel, Gastronomie und Veranstaltungen wird in der nächsten Verordnung die rechtliche Grundlage geschaffen. Eine integrierte nutzerfreundliche und datensichere digitale Plattform wird den direkten medienbruchfreien Austausch mit den Gesundheitsämtern ermöglichen.
2. Sobald sich abzeichnet, dass die Gesundheitsämter ihre Aufgabenwahrnehmung in der Pandemiebekämpfung nicht mehr gewährleistet können, sind die zuständigen Kreisverwaltungen verpflichtet, um personelle Verstärkung insbesondere durch Kräfte der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks (THW) zu ersuchen.

Die Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hessen-Thüringen und des Thüringer Beamtenbundes haben mit dem Ministerpräsidenten die Verabredung getroffen, gemeinsam die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung aufzurufen, gegenüber ihren Dienststellen die Bereitschaft zur Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu erklären. Die Dienststellen sind aufgefordert, diese Bereitschaftserklärungen, soweit die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs weiterhin gewährleistet werden kann, an die jeweiligen lokalen Gesundheitsbehörden bzw. das Landesverwaltungsamt weiterzuleiten.

Kontaktvermeidung im öffentlichen Leben

Die Landesregierung dankt allen Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat, die durch ihr eigenes Verhalten dazu beitragen, Infektionswege abzuschneiden. Sie schützen damit sich und andere. Die Entwicklung des Infektionsgeschehens macht weitere Maßnahmen gleichwohl unverzichtbar.

1. Öffentlich organisierte Veranstaltungen jenseits des Versammlungsgesetzes im öffentlichen Raum u.a. zur Begehung des Jahreswechsels, insbesondere solche mit Vergnügungs- und Freizeitcharakter sowie solche, bei denen pyrotechnische Gegenstände abgebrannt werden sollen, finden nicht statt.
2. Der Trainingsbetrieb des organisierten Sportbetriebs wird ohne Ausnahme, d.h. auch für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, vom 14. Dezember 2020 zunächst bis 10. Januar 2021 ausgesetzt. Im Übrigen gelten die gesonderten Regelungen für Sportleistungskader weiter.
3. Nichtschulische Bildungsveranstaltungen in Präsenzform an Musik- und Jugendkunst- schulen, Volkshochschulen und in der Erwachsenenbildung sind vom 14. Dezember 2020 zunächst bis 10. Januar 2021 untersagt.
4. Bei allen Gottesdiensten wird bis zum 10. Januar 2021 auch am Platz die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung festgelegt. Die Religionsgemeinschaften sind aufgefordert, auf Gesang zu verzichten. Die Landesregierung wird dazu das Gespräch mit den Re- ligionsgemeinschaften führten.
5. Die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung besteht zunächst bis zum 10. Januar 2021 bei sämtlichen Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz und im öffentlichen Raum, soweit Menschen sich begegnen.
6. Die öffentliche Verwaltung und vergleichbare Betriebe in der Privatwirtschaft sollen soweit es möglich ist, für ihre Beschäftigten Homeoffice oder mobiles Arbeiten ermöglichen.

Am Dienstag, dem 15. Dezember 2020, wird die Landesregierung über die mögliche Anordnung einer Ausgangsbeschränkung zwischen 22 Uhr und 5 Uhr, Kontaktvermeidungen im nichtöffentlichen Bereich sowie über die Regelungen für die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel entscheiden.

Schulische Bildung

Die Bildungseinrichtungen mit dem pädagogischen und nichtpädagogischen Personal haben ebenso wie die Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern im bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie hervorragend auf die damit verbundenen Herausforderungen reagiert. Dies hat auch dazu beigetragen, dass Kindergärten, frühkindliche Betreuungseinrichtungen, und Schu- len nicht zu Treibern des Infektionsgeschehens gehören.
1. Im Kontext eines zu erwartenden bundesweiten Lockdowns wechseln zusätzlich zu den bisher getroffenen Maßnahmen ab Klasse 7 wechseln die Klassen 1 bis 6 am 21. und 22. Dezember 2020 sowie zwischen dem 4. und 10. Januar 2021 in den Distanzunterricht und das häusliche Lernen. Allen Kindern der Klassenstufen 1-4, deren Eltern die häusliche Betreuung nicht gewährleisten können, wird eine schulische Betreuung angeboten.

Handel- und Dienstleistungen

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder werden sich – aller Voraussicht nach – in den kommenden Tagen gemeinsam mit der Bundesregierung treffen und über die Schließung des Groß- und Einzelhandels sowie der Dienstleistungsbetriebe im Rahmen eines bundesweiten Lockdowns entscheiden.
Die Landesregierung unterstützt diese Entscheidung und betont die Verantwortung des Bun- des für finanzielle Kompensationen von Schließungen betroffene Geschäfte.

 1. Die Handels- und Dienstleistungsbetriebe* im Freistaat werden, soweit die Ministerprä- sidentenkonferenz keine zeitlich davor liegenden Regelungen trifft, mit Ablauf des 18. Dezember 2020 geschlossen.
2. Bei den Handels- und Dienstleistungsbetrieben, soweit sie geöffnet sind, werden ver- stärkt Kontrollen durchgeführt, insbesondere mit Blick auf die Einhaltung des Mindest- abstands, der zulässigen Zahl der Kund:innen pro 10 bzw. 20 qm Verkaufsfläche sowie der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung.
3. Der Ausschank und Konsum von Alkohol ist in Innenstädten und sonstigen Orten unter freiem Himmel untersagt.

Weitere Festlegungen trifft die Landesregierung im Lichte der Entscheidungen der zu erwartenden Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundesregierung am 15. Dezember 2020.

Die Landesregierung wird sich weiterhin auf Bundesebene für die soziale Abfederung der Maßnahmen der Pandemiebewältigung einsetzen.

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* In Sachsen geregelt ist dies wie folgt: Alles außer Lebensmittelhandel, Tierbedarf, Getränkemärkte, Abhol- und Lieferdienste, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörakusti- ker, Sparkassen und Banken, Poststellen, Reinigungen, Friseure, Waschsalons und Laden- geschäfte des Zeitungsverkaufs, Weihnachtsbaumverkaufsstellen, Ladengeschäfte von Handwerksbetrieben, Tankstellen, Autohäuser, Fahrradläden, Kfz- und Fahrradwerkstätten, Pyrotechnikverkaufsstellen sowie einschlägige Ersatzteilverkaufsstellen, selbstproduzierende und -vermarktende Baumschulen und Gartenbaubetriebe